Die Oderbruchbahn

Ab 1911 erschloß sie den Gemüsegarten Berlins. Sie brachte den wirtschaftlichen Aufschwung einer ganzen Region. Doch was ist heute noch von ihr geblieben. Sie hat aufgehört zu existieren. Verlassene und verfallene Gebäude rostige Gleisreste und vereinzelt noch erkennbar ein Bahndamm. Nicht viel. Heute verbindet ein Radweg wo noch vorhanden auf alter Trasse die Orte. Doch wie begann alles?

Erste Gedanken zum Bau einer Bahn durch das Bruch gehen in das Jahr 1895 zurück. Geplant wurde damals eine Strecke von Podelzig nach Wriezen. Man erhoffte sich einen wirtschaftlichen Aufschwung durch die schnellere An- und Abfuhr von Gütern. Geplant wurde diese Bahn von der Gesellschaft “Lenz & Co”. Doch schon wenig später wurde dieses Vorhaben zu den Akten gelegt. Im Jahre 1899 erinnerte man sich wieder an den geplanten Bahnbau und übertrug die Planung der Firma “Hartwig & Co”. Nun sollte die Bahn am Bahnhof Golzow, gelegen an der Ostbahn, beginnen. Zu dieser Zeit wurde auch die Strecke Dahmsdorf-Müncheberg - Müncheberg/Stadt projektiert. In beiden dieser Fälle wollte sich die Provinz Brandenburg nicht an den Projekten beteiligen. So ließ man wieder Gras über die Sach wachsen. Die Stadt Müncheberg hingegen brachte die erforderlichen Mittel allein auf und ließ sich ihre eigene Eisenbahn bauen. Mittels einer mehrseitigen Begründung wurde dem damaligen Regierungspräsidenten dargelegt wie nötig der Bau der Oderbruchbahn für die wirtschaftliche Entwicklung der Region ist. Darin wurde auch eine neue Streckenführung beschrieben. Wriezen - Golzow - Dolgelin - Seelow Stadt - Hasenfelde - Fürstenwalde. Von Hasenfelde sollte eine Verbindung zu der im Bau befindlichen Müncheberger Kleinbahn hergestellt werden. Weiterhin wurde in diesem Schreiben genau beschrieben für wen alles die Bahn nützlich sein würde. Die Befürchtungen, die Landwirtschaft würde an den bisherigen Transportmöglichkeiten scheitern und die Landbevölkerung abwandern, führten zum Zuspruch der Landesregierung.

Im Herbst des Jahres 1908 wurde mit den Vorbereitungen zum Bau der Oderbruchbahn begonnen. Verantwortlich war der Landesbaurat “Techow” aus Berlin. 7,3 Millionen Mark wurden für den Bau veranschlagt. Die Streckenlänge betrug inklusive der Nebengleise 117 km. Der eigentliche Bahnbau begann am 01.06.1910 . Nach der Fertigstellung eines jeden Bauabschnittes wurde dieser dem Verkehr übergeben.

  • 03.06.1911 Müncheberg Stadt - Hasenfelde - Fürstenwalde/Spree
  • 03.12.1911 Hasenfelde - Ahrensdorf - Seelow Stadt - Dolgelin
  • 23.12.1911 Wriezen - Golzow
  • 09.06.1912 Golzow - Dolgelin
  • 08.10.1912 Genschmar - Friedrichsaue
  • 08.10.1912 Groß Neuendorf - Hafen
  • 08.10.1912 Kienitz - Hafen

Mit der Betriebsführung auf der Oderbruchbahn war von Beginn an, die Landeseisenbahndirektion Brandenburg GmbH zuständig. Die Betriebsverwaltung befand sich am Bahnhof Müncheberg Stadt. Ferner war sie auch mit der Betriebsführung der Beeskow-Fürstenwalder Kreiskleinbahn und der Buckower Kleinbahn beauftragt. Wie geplant bildete der Güterverkehr die Hauptlast des gesamten Verkehrsaufkommens der Oderbruchbahn. Hauptsächliche Güter waren Getreide, Zuckerrüben, Zucker, Hülsenfrüchte, Holz, Baumaterialien, Futtermittel, sog. Kolonialwaren, Düngemittel, Kartoffeln , Kohlen, Tiere uvm.. Der Austausch der Güterwagen erfolgte auf den Bahnhöfen Dahmsdorf-Müncheberg, Fürstenwalde/Spree, Dolgelin, Golzow und Wriezen. Weiterer Warenübergangsverkehr fand in den Umschlaghäfen Groß Neuendorf und Kienitz statt. Zusätzlich hatte sie im Herbst die Rübenernte zu den Zuckerfabriken Voßberg und Thöringswerder einzufahren. Der erste Weltkrieg brachte die Bahn zunehmend in Bedrängnis. Der Mangel an Kohle, Ersatzteilen und Betriebspersonal zwang die Verwaltung den Betrieb drastisch einzuschränken. Die hohe Inflation nach dem Krieg  brachte weitere Probleme ein. Durch die sparsame Bauausführung war der Oberbau bereits nach wenigen Jahren verschlissen. Für dessen Erneuerung genügten die Gelder nun nicht mehr. Durch eine Umlage der Kreise Lebus und Oberbarnim konnten zusätzliche Mittel bereit gestellt werden. Um das Grundkapital und die Kreditwürdigkeit zu erhöhen, entstand aus dem kommunalen Unternehmen am 27.02.1932 die Oderbruchbahn Aktiengesellschaft. Der zunehmende Individualverkehr in den 30er Jahren brachte weitere Probleme für die Oderbruchbahn. Erst die auflebende Konjunktur infolge der Kriegsvorbereitungen änderten die Situation der Bahn grundlegend. Verstärkte Baustoff- und später Munitionstransporte spielten eine große Rolle im Verkehrsaufkommen der 30er und 40er Jahre.

Die Betriebsanlagen

Die Gleise wurden wie für Klein- und Nebenbahnen damals üblich in Kiesbettung verlegt. Bei Baubeginn wurden für 12m Gleis jeweils 12 getränkte Kiefernschwellen verlegt. Bei der Oberbauerneuerung wurden um die Achlasten erhöhen zu können 19 Schwellen für 12m Gleis verlegt. Im Jahre 1940 hatte die Bahn nachfolgend genannte Gleisanlagen in ihrem Bestand.

  • 229 Weichen
  • 5 Wegunterführungen
  • 3 Wegüberführungen
  • 5 Eisen- bzw. Stahlbrücken
  • 30 gemauerte Durchlässe
  • 263 Bahnübergänge
  • 43 Bahnhöfe und Haltestellen
  • 7 Gleiswaagen
  • 1 ortsfester Kran
  • 1 Entseuchungsanlage für Güterwagen
  • 16 Anschlußstellen
  • 8 Lokomotiv- und Triebwagenschuppen
  • 1 Bahnhauptwerkstatt bei Müncheberg
Die Betriebsführung

Im Allgemeinen kam das Zugmeldeverfahren zur Anwendung. Die Strecken Müncheberg Stadt - Dahmsdorf Müncheberg und Genschmar - Friedrichsaue wurden im vereinfachten Nebenbahndienst betrieben. Signalanlagen gab es zunächst keine. Im Jahre 1942 wurden an den Einfahrten der Bahnhöfe Fürstenwalde/Spree, Hasenfelde und Groß Neuendorf Formsignale aufgestellt. Die Bahnhöfe Waldfrieden und Müncheberg Stadt erhielten Lichtsignalanlagen. Bis auf die Strecke Dahmsdorf-Müncheberg - Müncheberg Stadt (30km/h) galt auf allen Strecken eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50km/h. Ab 1960 wurde der vereinfachte Nebenbahndienst eingeführt.

Die Fahrzeuge

Im Eröffnungsjahr 1911 wurden 12 Lokomotiven entsprechend der preuß. T 3 von Ohrenstein&Koppel beschafft. Sie erhielten fortlaufende Nummern und Namen von bekannten Persönlichkeiten oder Stationsnamen der Bahn. Die Müncheberger Kleinbahn besaß zwei bauartgleiche Lokomotiven. Zur Beförderung schwerer Güterzüge, vornehmlich für die Wehrmachtsfabriken, wurde 1941 eine preuß. T14/1 beschafft. 1937 wurde begonnen, alle Fahrzeuge mit Druckluftbremsen auszurüsten. Ab 1935 wurden 4 Triebwagen beschafft. 1940 kam ein weiterer hinzu. Des weiteren kam noch ein Kittel-Dampftriebwagen Bj. 1915 hinzu. Nach 1945 befanden sich noch 5 Triebwagen im Bestand. Von 15 Lokomotiven waren noch 13 anzutreffen. Nach der Übernahme durch die DR wurden die T 3 in die Baureihe 89 eingereiht.  Mit dabei war auch die heute bekannte Museumslok 89 6009. Die T 14 erhielt nun die Bezeichnung 93 6678. Die Mehrzahl der 89er wurde mit 3achsigen Schlepptendern ausgerüstet. Seit 1955 war das Bahnbetriebswerk Wriezen für die Instandhaltung der Fahrzeuge verantwortlich. Zeitweise waren auch die Baureihen 52 und 64 auf der Oderbruchbahn anzutreffen.  Die Mehrzahl der in der DDR vorhandenen 89er wurden im bis Ende 1950 im BW-Wriezen beheimatet. Alle (mit Ausnahmen) bis zur Stillegung der Oderbruchbahn noch verbliebenen 89er wurden in Wriezen und Neu Rüdnitz verschrottet. Der Dampftriebwagen wurde nach längerer Abstellzeit 1957 im BW-Frankfurt/Oder verschrottet. Als Ersatz für die immer häufiger defekten Triebwagen verkehrte jeweils eine V 15 mit einem Personenwagen oder Triebwagenbeiwagen. Ab 1964 verkehrten die ersten LVT auf den Gleisen der Oderbruchbahn.

1911 wurden 14 2achsige Personenwagen sowie 115 Güterwage beschafft. Bis zur Umrüstung mit Druckluftbremsen waren sie mit der Görlitzer Gewichtsbremse bestückt. Der Bestand an Güterwagen veränderte sich durch den Wagenaustausch stetig, so das über den Bestände nach der Umrüstung keine Angaben bestehen. Seit dem 01.07.1941 besaß die Oderbruchbahn auch drei Kraftomnibusse für den Stadtverkehr von und nach Fürstenwalde/Spree.

Nach 1945

Die letzten Kriegsmonate brachten erhebliche Zerstörungen für die Oderbruchbahn mit sich. Nur 45 km Strecke waren noch befahrbar. 8 Bahnhofsgebäude und der Sitz der Betriebsverwaltung am Bahnhof Müncheberg Stadt waren zerstört. Alle Brücken und Durchlässe sind von der Wehrmacht gesprengt oder durch Kampfhandlungen zerstört worden. Die Fernsprech- und Sicherungseinrichtungen waren unbrauchbar. Nach dem Ende des Krieges wurde zunächst mit der Instandsetzung der Bahnanlagen außerhalb des Bruches begonnen. Dort waren die Zerstörungen geringer. Im April 1946 konnte der Zugbetrieb zwischen Fürstenwalde - Hasenfelde - Dahmsdorf-Müncheberg und nach Dolgelin wieder aufgenommen werden. Zwische Dolgelin und Wriezen ruhte der Verkehr weiterhin. Am 23.03.1947 meldeten die damaligen Medien “Land unter im Oderbruch”. Was war geschehen? Am Oderdeich bei Reitwein hatten sich riesige Mengen an Eisschollen aufgestaut. Der Deich war nicht mehr in der Lage diesem Druck stand zu halten und brach in den frühen Morgenstunden des 23. März. innerhalb wenige Stunden versank das Oderbruch in seiner vollen Größe von Frankfurt/Oder bis nach Bad Freienwalde in den Fluten des Oderhochwassers. (Im Juli 1997 blieb den Bewohnern des Oderbruches dieses Schiksal erspart. Südlich von Frankfurt/Oder in der Ziltendorfer Niederung hingegen brach bei Aurith der Deich.) Noch nicht wieder aufgebaut erlitt die Oderbruchbahn in diesem Bereich schwerste Zerstörungen. 2 Jahre nach dem Krieg stand die Region erneut vor einem Scherbenhaufen. Nach schwerster Arbeit im Zuge des Wiederaufbaues fuhr am 18.12.1947 wieder ein Zug zwischen Wriezen und Zechin. Am 29.09.1948 fuhren auch wieder Züge zwischen Dolgelin und Golzow Kleinbahnhof. Zwischen Zechin und Golzow Kleinbahnhof fuhren noch keine Züge. Grund war die noch nicht fertig gestellte Brücke über die Strecke Berlin - Küstrin. Mit Beginn des Sommerfahrplan 1950 konnte der durchgehende Zugbetrieb zwischen Wriezen und Fürstenwalde aufgenommen werden. Die Strecke Friedrichsaue - Genschmar ging nicht mehr in Betrieb. Das dort gewonnene Oberbaumaterial fand auf den anderen Strecken seine Verwendung. Die Oderbruchbahn wurde am 01.04.1949 von der DR übernommen. In Thöringswerder wurde die Strecke mit dem Anschlußgleis kommend von Alt Bliesdorf, an der Strecke Frankfurt/Oder - Wriezen, verbunden. Von nun an nahmen die Züge den direkten Weg. Der Parallelverkehr zur Anschlußbahn entfiel.

Das Ende der Oderbruchbahn

Zum Ende der 50er Jahre führte der immer schlechter werdende Oberbauzustand zu einer ständigen Verringerung der Fahrgeschwindigkeiten und häufigen Schäden an den Fahrzeugen. Entgleisungen und Schienenbrüche waren beinahe täglich. Der zunehmende Straßenverkehr tat sein übriges. So kam es wie es kommen musste und andernortes im Land schon zu beobachten war zur Stillegung. Ab 1965 wurde die Oderbruchbahn etappenweise stillgelegt.

  • 01.02.1965 Müncheberg/Mark - Müncheberg Stadt (Pers.Verkehr)
  • 01.02.1965 Müncheberg Stadt - Hasenfelde (gesamt)
  • 25.09.1966 Wriezen - Dolgelin (gesamt)
  • 18.12.1968 Fürstenwalde - Waldfrieden - Ahrensdorf (Pers.Verkehr)
  • 18.12.1968 Waldfrieden - Ahrensdorf (gesamt)
  • 01.11.1969 Ahrensdorf - Seelow Stadt (gesamt)
  • 01.11.1969 Seelow Stadt - Dolgelin (Pers.Verkehr)
  • 31.12.1971 Müncheberg/Mark - Müncheberg Stadt (gesamt)
  • 31.12.1971 Voßberg - Groß Neuendorf Hafen
  • 10.01.1994 Seelow Stadt - Dolgelin (gesamt)
  • 01.01.1995 Fürstenwalde Nord - Waldfrieden (gesamt)

Heute wird noch ein Teil bis in das Industriegebiet Fürstenwalde Nord als Anschlußbahn genutzt. 89 Jahre nach ihrer ersten Fahrt ist die Oderbruchbahn Geschichte.

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